Clementine Hartz und (k)ein Manager für alle Fälle
MAIN-KINZIG-KREIS. Clementine Hartz gilt als erwerbsfähig. Allerdings kann sie wegen ihrer sechs Jahre alten Tochter, die sie alleine erzieht, derzeit keine Arbeit aufnehmen. Die junge Mutter ist darüber informiert, dass Menschen, die nicht erwerbsfähig sein können, weiterhin vom Sozialamt ihres Kreises betreut werden. Deshalb beantragt sie Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz.
Clementine Hartz ist sehr erstaunt, als sie nach einigen Tagen den Ablehnungsbescheid des Sozialamtes in den Händen hält. ?Nicht zuständig? steht dort. Zuständig sei eine neue ?Arbeitsgemeinschaft?. Mit einiger Mühe recherchiert Frau Hartz, dass sich hinter dieser Arbeitsgemeinschaft eine neue Verwaltungseinheit aus Mitarbeitern der Bundesagentur für Arbeit (früher war das mal das Arbeitsamt) und Mitarbeitern des Sozialamtes verbirgt. Clementine Hartz zweifelt, ob die Auskunft ihres Sozialamtes stimmt. Schließlich steht sie dem Arbeitsmarkt derzeit doch gar nicht zur Verfügung.
Umso mehr ist sie beeindruckt, dass sie ihren ersten Termin gleich bei einem ?Manager? der Bundesagentur für Arbeit in der ?Arbeitsgemeinschaft? hat. Dieser erklärt ihr, dass er sie zwar wegen ihres Kindes nicht in Arbeit vermitteln kann, darauf käme es aber nach dem neuen Gesetz nicht an. Wichtig sei die ?grundsätzliche Erwerbsfähigkeit?. Da dies bei ihr zutreffe, sei sie schon richtig bei ihm. Er gewähre nämlich das neue Arbeitslosengeld II von monatlich 345 Euro.
Clementine Hartz ist bestürzt. Nur 345 Euro für zwei Personen? Davon kann sie ja noch nicht einmal die Miete zahlen. Der Fallmanager der Bundesagentur beruhigt sie schnell. Neben dem Arbeitslosengeld II erhalte Sie für Ihr Kind noch Sozialgeld. Außerdem noch die Kosten der Unterkunft. Zur Übernahme der Mietkosten hat Frau Hartz gleich eine Frage. ?Da kann ich Ihnen leider nicht helfen?, zuckt der Manager mit den Schultern und schickt sie zuständigkeitshalber zu einem Kollegen des Sozialamtes, der im Nebenzimmer der ?Arbeitsgemeinschaft? sitzt.
Clementine Hartz kombiniert, dass der Fallmanager der Bundesagentur nur für das Arbeitslosengeld II zuständig ist, und alles andere der Kollege des Sozialamts in der Arbeitsgemeinschaft regelt. Leider liegt sie erneut falsch: Das Sozialgeld für ihr Kind rechnet durchaus der Fallmanager der Bundesagentur aus. ?Prima, jetzt habe ich alles verstanden?, freut sich Frau Hartz. ?Für die finanzielle Unterstützung meines Kindes ist also auch der Fallmanager zuständig.? Das ist ihr wichtig, weil ihre Tochter in Kürze eine Klassenfahrt unternehmen wird und sie den Kostenbeitrag nicht aufbringen kann.
Die Frau glaubt an einen Scherz, als ihr der Manager der Bundesagentur erklärt, dass er zwar das Sozialgeld für ihr Kind berechnet, die Bearbeitung von Zuschussanträgen für Klassenfahrten aber wiederum der Kollege des Sozialamtes übernimmt. Und zwar nicht, weil er dies mit dem Kollegen so abgesprochen hat, sondern weil es so in Paragraph 23, Absatz 3, Nummer 3 in Verbindung mit Paragraph 6 des Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt so geregelt sei.
?Wie nennt sich dieses merkwürdige Gesetz ?? fragt Frau Hartz ungläubig. ?Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt?, murmelt ihr persönlicher Agentur-Manager. Clementine Hartz möchte fragen, ob es jetzt modern sei, alles komplizierter zu machen. Sie verkneift sich die Bemerkung. Der Mann kann ihr ohnehin nicht antworten: ist ja nur Manager.