Heute war ich in Dortmund in der Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht. Dimension eines Vernichtungskrieges 1941 - 1945".
Die Ausstellung läuft noch im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte bis zum 2. November.
Interessanter als die Ausstellung selbst, sind mittlerweile die Diskussionen und Debatten darüber geworden (Pro und Contra der Ausstellung). Nachdem vor ein paar Jahren den Machern der Ausstellung schwere Vorwürfe gemacht worden sind und es hieße, dass Beweise gefälscht wurden, wurde eine Kommission ins Leben gerufen, die die Richtigkeit dieser Vorwürfe überprüft hat und die die Wehrmachts-Ausstellung noch Mal genau untersucht hat. Dabei kam heraus, dass keine Materialien gefälscht wurden, aber dass die Ausstellung Ungenauigkeiten aufwies, weshalb sie komplett überarbeitet wurde. In diese überarbeiteten Fassung ist sie nun zu sehen.
Die Diskussionen um die Ausstellung haben aber nach wie vor nicht abgenommen. Meine Freundin hielt sich gestern (oder heute ) vor dem Museum auf, als ihr jemand von der Deutschen Volksunion ein paar Flyer in die Hand drückte. Auf denen ist folgendes zu lesen:
"Wehret den Anfängen. Keine Chance den Gesinnungsdiktatoren! Mit Denkverboten und Verleumdungen [...](sollen) Lehrer, Schüler und Eltern (entmündigt werden) (Anm.: Sorry, bin jetzt zu faul, das alles abzutippen ). [...] Schützen Sie das Recht auf Meinungsfreiheit, als unverzichtbaren Bestandteil der Demokratie! Kommen Sie zu der Veranstaltung: Legenden, Lügen und Unwahrheiten!"
Auf einem anderen Flyer stand: "Die überwältigende Mehrzahl der deutschen Soldaten hat ritterlich und anständig gekämpft! Jan Phillip Reemtsma, ihre Ausstellung ist hier unerwünscht!"
Ich finde das nur irgendwie lustig, denn die Ausstellung hat ja wohl nie die Meinungsfreiheit angegriffen . Außerdem stoße ich mich an dem Begriff "ritterlich" (selbst die Kreuzritter waren ja wohl nicht immer so ritterlich ). Vor allem habe ich das Gefühl, je mehr man versucht, Contra zu geben, je mehr Leute wollen die Ausstellung sehen. Zwischendurch musste das Museum wegen Überfüllung geschlossen werden.
Hm, ritterlich... wenn sie damit meinen, daß sich die Wehrmacht wie im Mittelalter aufgeführt hat, dann haben sie womöglich Recht... Allerdings bin ich durchaus der Meinung, daß sich die Mehrheit der Wehrmachtssoldaten nicht schlimmer aufgeführt hat als es Soldaten jeglicher Nationalität in diesem und anderen Kriegen benommen haben - wieso auch? Wäre schließlich schon schlimm genug...
Naja ... es gibt Meinungen, die dem sehr widersprechen wuerden (also was Du oben gepostet hast).
Dann noch die, die mit den Fingern auf die Russen zeigen, als die z. B. in Ostpreussen gewuetet haben.
Fuer die Koreaner & Chinesen sind z. B. die Japaner noch schlimmer vorgegangen als die Deutschen ... und die brauchten noch nicht einmal eine eigene Unterorganisation dafuer.
Irgendwann kommst Du dann auf den armenischen Genozid ... und je nach Region finden die Beteiligten es ein Drama, dass die Osmanen das damals gemacht haben bzw. ein Drama, dass sie es nicht richtig gemacht haben!
Aber dieses Aufwiegen/Rechtfertigen wird der Sache 'Krieg' nicht gerecht imho. Diskussionen dieser Art vermeide ich lieber .... weil einfach nicht sinnvoll zu fuehren.
ZitatGepostet von Arakano Hm, ritterlich... wenn sie damit meinen, daß sich die Wehrmacht wie im Mittelalter aufgeführt hat, dann haben sie womöglich Recht...
Mit ritterlich ist gemeint, dass z.B. besiegte Gegner verschont werden. Als Beispiel fällt mir spontan an: Piloten am Fallschirm werden nicht beschossen, Seemänner im Wasser werden nicht beschossen. Was IMHO auch in der Genfer Konvention enthalten ist. Oder das Piloten, deren MG klempt nicht beschossen werden, wurde im 1. Weltkrieg überwiegend so gemacht, im 2. war das wohl nicht so einfach festzustellen.
Hm, das sind dann aber immer exemplarische Beispiele - wer z.B. meint, daß die Türken anfang des 20. Jahrhunderts allesamt grausam veranlagt gewesen seien, weil damals der erste moderne Völkermord an den Armeniern statt fand, der sieht eben nicht das Gesamtbild. Natürlich gab es gräßliche Greueltaten von Seiten der Wehrmacht, insbesondere von einigen Abteilungen. Aber ich sprach ja auch vom Großteil der Armee, und das waren meist Leute, die zum krieg gezwungen wurden, keine fanatischen Nazis die "Untermenschen" umbringen wollten. Natürlich gab es zwischen den Armeen auch Unterschiede, aber ich denke, die lassen sich eher auf die Situation zurückführen. Dass ein Ami, der (wenn er nicht gerade am D-Day teilnahm) den Krieg eher als großes Abenteuer wahrnahm, fröhlich Kaugummi an deutsche Kinder verteilte, während ein Rotarmist, der die systematische Verwüstung seiner Heimat durch die Deutschen miterlebt hat, in Ostpreußen Greueltaten begeht, ist doch relativ logisch, oder? Deshalb waren aber die US-Soldaten keine besseren Menschen als die russischen, sie hatten eben nur eine andere Hintergrundsgeschichte.
Zu den Japanern: Unter deren Streitkräften herrschte aber auch eine Mentalität, die und Europäern und auch den meisten Asiaten fremd war. Kapitulation galt als äußerste Schande, deshalb behandelten sie Kriegsgefangene und Unterworfene zu schlecht. Andererseits kämpften sie selbst meist bis zum Tod, weil das eben Teil ihrer (militärischen) Erziehung war.
Alles oben geschriebene ist natürlich nur meine bescheidene und beschränkte Meinung.
P.S.: Ich denke, prinzipiell kann eine Diskussion nie schaden - auch wenn sie bisweilen nichts bringt außer ein bißchen Rhetorik-praxis.
... und boeses Blut ..., je nach Betroffenheit und Engagement!
@, das haben die aber auch nur solange gemacht, bis sie herausgefunden haben, dass diese Ritterlichkeit 'Blut' gekostet hat ... naemlich das der Bodentruppen, weil das Artilleriefeuer ploetzlich viel besser lag.
Ja, obwohl Ritterlichkeit im ersten Weltkrieg - zumindest auf den genannten Teilbereichen des Luft- und Seekrieges, weniger im Stellungskrieg - eher praktiziert wurde als im zweiten. Als z.B. die Bismarck gesunken ist, haben die Briten die deutschen Matrosen im Wasser nicht erschoßen - nein, sie haben sie einfach in der eiskalten Nordsee erfrieren lassen. Das ist dann nicht ritterlich, sondern brutal. Dagegen haben beim Begräbnis des "Roten Barons" von Richthoffen kanadische und englische Flieger Kränze niedergelegt.
Je nach Quellen, die man bemueht, haben die englischen Kreuzer die Rettungsaktion eingestellt, weil Deutsche U-Boote gesichtet wurden, bzw. der Verdacht aufkam, das welche in der Naehe waren.
Mist, das meinte ich ... ach, schon mal gemerkt, dass Ritterlichkeit immer nur zwischen den Chevaliers herrscht?
Fand ich ganz nett in der einen Artus Version (denke die ist von T.H. White, kann aber auch eine andere gewesen sein) beschrieben ..., in der die Gegner richtig sauer wurden, als sie merkten, dass Artus IHNEN ans Leben wollte und nicht nur die Fusstruppen niedermetzeln ...!
Hey, so oder so sind sie in der Nordsee erfroren, und die Briten wurden auf jeden Fall nicht voN U-Booten beschossen. Obwohl ich natürlich nicht dabei gewesen bin und es daher nicht bestätigen kann. Ich wollte damit aber auch keineswegs die britische Armee diskreditieren (das haben die, genau wie die meisten Armeen, schon selber erledigt). Aber nur weil es auf deutscher Seite noch größere Greueltaten gab sollte man die Vergehen der Gegenseite nicht ignorieren (einer der wenigen Punkte, in denen ich mit Günther Grass übereinstimme... ).
Aber du bist doch jetzt nicht böse auf mich, oder? Ist doch nur eine Diskussion...
Zur Ritterlichkeit: Auch gegenüber anderen Adeligen war man damals nur bedingt ritterlich. Viele praktizierten ein solches Verhalten gar nicht oder nur, wenn es aus propaganda-Gründen nützlich erschien. Das Bild des feigen Ritters, der die Fußtruppen ins Gemetzel schickt ist auf jeden Fall eher die Ausnahme gewesen, zumindest zur "Blüte" des Rittertums. Ritter waren eben meist tumbe Berufskrieger - die konnten es sich nicht erlauben, sich aus dem Kampf herauszuhalten oder ihre Gegner zu schonen, IMHO.[f1][ Editiert von Arakano am: 27.10.2003 19:55 ][/f]
Nein ... boese nicht ... aber genau das meinte ich mit der Sinnlosigkeit dieser Art von Diskussionen ... !
Aeh, Murten bzw. der ganze Unabhaengigkeitskampf der Schweiz, der 100-jaehrige Krieg und auch die Bauernkriege (hiess der Bauernjoerg ) liefern aber z. B. genau DIESES Bild des kuehnen Ritters ... Haudrauflosundschluss-Mentalitaet ... !
Ach und ... wenn die U-Boote schon anfangen Dich zu torpedieren ... ist es schon zu spaet ... !
Zu Ubooten: Sicher, aber wie gesagt, es fanden keine Angriffe statt, und AFAIK befanden sich da auch keine U-Boote in der Nähe (warum auch, die Bismarck hatte sich ja sozusagen verfahren).
Zu Rittern&Bauern: Hm, die Ritter haben sich bei Murten, Nancy usw. sicherlich dumm angestellt, aber eben nicht feige. Eher draufgängerisch bis in den Untergang. Und im Bauernkrieg... da war das Rittertum ja endgültig im Niedergang. Da haben einige sogar auf Seiten der Bauern mitgemacht, und auf Seiten der Obrigkeit haben vor allem Landknechtssöldner gekämpft, weil es an qualifizierten Rittern mangelte (ganz zu schweigen von deren nachlassender Effizienz angesichts neuer taktischer und technischer Entwicklungen).
In diesem Fall (also im Sinne von der Deutschen Volksunion) ist "Ritterlichkeit" ja wohl so zu definieren, wie Venarin oben gepostet hat . Es gab zum Zeitpunkt des 2. Weltkriegs das sogenannte Haager Abkommen, in dem auch die Behandlung von Kriegsgefangen festgelegt wurde. Dieses Abkommen legt also gewissermaßen die "Ritterlichkeit" der Truppen fest (u.a. musste man Kriegsgefangenen ausreichende Hygiene zugestehen, durfte sie nicht foltern, durfte sie keinen Schaulustigen aussetzen, musste sie anständig behandeln und war für ihr Leben verantwortlich, sobald sie sich ergeben hatten usw. - war ein langes Abkommen.) Das Haager Abkommen enstand genau zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg. Meiner persönlichen Meinung nach ist es mit diesem Abkommen, wie mit jedem anderen auch, dass man in Friedenszeiten schließt und das aber etwas mit Kriegsrecht zu tun hat. Wenn man sich im Krieg befindet wird das Recht nun mal sehr gedehnt.
Die Ausstellung hat jedenfalls bewiesen, dass sich nicht an das Haager Abkommen gehalten wurde (weil es eben doch zu Lynchjustiz, Folter und Mord gekommen ist). Allerdings ist es auch eine Verallgemeinerung, zu behaupten, "die Wehrmacht" hätte sich daran als ganzes beteiligt. Die Wehrmacht war um 1940 herum fast 4 Millionen Mann stark. Nicht alle 4 Millionen Soldaten haben Greueltaten begangen . Aber einige können sich eben nicht von dieser Schuld frei sprechen.
Die Ausstellung stößt nur deshalb auf soviel Ablehnung, weil die Leute sich natürlich zwangsläufig fragen, ob nicht ihr eigener Großvater einer von denen war, die nun mal keine so reine Weste haben. (Ich hatte mich mit einer Freundin unterhalten, und wir wussten z.B. beide nicht, wo genau in der Wehrmacht unsere Großväter gedient hatten und welchen Rang sie inne hatten.)
Man sollte deshalb immer ein wenig skeptisch sein, aber auch nicht alles gleich verteufeln. Es mag bestimmt Soldaten gegeben haben, die sich anständig verhielten - sowohl in Deutschland, als auch anderswo.